AUF SPRITZTOUR
Neu ist Metallspritzen nicht. Doch die weiterentwickelte Technologie bietet inzwischen interessante Lösungen nicht nur für Kurbelwellenhauptlager, sondern auch für Pleuelstangen.
Nichts hält ewig, und das ist kein Zufall. Schon bei der Planung eines Motors haben die Ingenieure überlegt und berechnet, wie viele Überarbeitungsstufen der Entwurf später verträgt.
Es geht um feste Werte. Jede Revision eines Kurbelwellenhauptlagers bedeutet den Abtrag von 25/100-Milimeter Material. Oft sind drei Überarbeitungsstufen einkalkuliert: 0,25 mm, 0,5 mm und 0,75 mm. Für diese Maße gibt es passende Lagerschalen. Doch dann ist Schluss, zumindest aus Sicht der Hersteller und ihrer Teilekataloge, die für weitere Dimensionen keine Lagerschalen mehr anbieten – eine neue Kurbelwelle wird fälig. Und wenn es die nicht mehr gibt? Oder sie enorm teuer ist? Schon früh probierten Motoreninstandsetzer verschiedene Lösungen. Aufschweißen und Aufchromen sind zwei gängige Verfahren, Kurbelwellen auf ein zweites Leben vorzubereiten. Beide funktionieren. Doch sie bergen auch Risiken.
Beim Aufschweißen erhalten die Lagerstellen einen Auftrag aus dem Material, aus dem auch die Kurbelwelle besteht. Doch um tatsächlich ein homogenes Materialgefüge herzustellen, braucht es viel Erfahrung – sprich Vertrauen des Kunden in den Betrieb, der die Reparatur durchführt. Denn das Aufschweißen erhitzt die Kurbelwelle enorm. Und die Spannungen, die dadurch entstehen, lassen sich nur schwer verhindern. Auch Haarrisse kann es geben.
Die Probleme beim Aufchromen liegen dagegen in den oft sehr unterschiedlichen Stärken der aufgetragenen Metallschicht. Zudem sind die Schleifarbeiten bei Chrom aufwendig. Und es besteht die Gefahr, dass eine zu dünne Chromschicht durchgeschliffen wird – dann beginnt der arbeitsintensive und teure Aufchromprozess wieder von vorn. Auch Abplatzungen und feine Risse treten mitunter auf.
Als Alternative zu den beiden Verfahren bietet sich das Metallspritzen an. Heißes Metall wird unter Druck auf die erwärmten, rotierenden Lagerstellen gespritzt. Dabei gelingt der Auftrag des neuen Metalls gleichmäßiger und sicherer als beim Aufschweißen oder aufchromen.Bis zu 70 verschiedene Werkstoffe lassen sichh dabei verarbeiten: Eine spezielle Mischung aus Nickel, Chrom und Molybdän eignet sich beispielsweise für die Hauptlager der Kurbelwelle.
Besonders interessant ist dieses Verfahren auch für die Bauteile im Motor, die an ihren Lagerstellen ebenfalls unter erheblichen Verschleiß leiden: die Pleuelstangen. Statt bei Untermaß Material auf die Pleuelzapfen der Kurbelwelle aufzutragen, wird Weißmetall in den Pleuelfuß gespritzt. Das Verfahren funktioniert bestens, verspricht der Motoreninstandsetzer Uli Egetemeir aus Waiblingen in der Nähe von Stuttgart, der diese Methode seit rund zweii Jahren anbietet: „Probleme sind uns bislang keine bekannt. Dafür können wir bei einem Pleuellager mit mindestens zwei Übermaßstufen mehr rechnen.“
Laut seiner Aussage kann er das Weißmetall bis zu vier Millimeter stark auftragen. Selbst stark eingelaufene Pleuellager lassen sich so retten. Auch ein mögliches Untermaß der Pleuelzapfen auf der Kurbelwelle spielt keine ausschlaggebende Rolle dabei, denn Egetemeir kann den neuen Durchmesser der Pleuellagerbohrung entsprechend anpassen – hat die Kurbelwelle genügend Reserven, ist an den Pleuelzapfen auch noch ein viertes oder fünftes Untermaß möglich.
Lagerschalen verwendet Egetemeir für die Pleuellager nicht: Weißmetall verspricht seit jeher beste Laufeigenschaften. In die Lagerflächen arbeitet er Öltaschen ein, exakt definierte, flache Vertiefungen, die immer etwas Öl sammeln und so die Schmierung der Lagergleitfläche dauerhaft verbessern.
Daraus folgt ein weiterer Vorteil des Metallspritzens, der besonders für die Besitzer von Vorkriegsfahrzeugen interessant sein kann: Aufgespritze Lager können ein guter Ersatz für aufwendig herzustellende Schleudergusslager sein. Ein Umbau auf nicht zeitgenössische Lagerschalen ist damit weniger attraktiv. Zudem lassen sich - relativ risikofrei – auch stark abgenutzte Motorenteile möglicherweise retten.
Tipps & Adresse
Probleme mit Zweiradtriebwerken brachten Uli Egetemeir auf die Idee, das Verfahren des Metallspritzens als Lösung für Probleme bei Motoreninstandsetzungen weiterzuentwickeln. Seine Firma EGU in Waiblingen (Telefon 0 71 51/56 18 18, Fax 5 52 13, www.egu-motoren.com) gibt eine Jahr Gewährleistung, wenn der Kunde den kompletten Block anliefert und Egetemeir die Kurbelwelle und Pleuelstangen in seiner Werkstatt montieren kann.
EGU überarbeitet eine defekte Pleuelstange ab 290 Euro, die Bearbeitung – also das Schleifen – eines Hubzapfens der Kurbelwelle kostet 58 Euro. Der Preis für die Sanierung – Aufspritzen und Endbearbeitung – der Kurbelwelle hängt von der Anzahl der Hauptlager ab: Sieben Lager kosten beispielsweise rund 1750 Euro.
Quelle: MOTOR KLASSIK 9/2003
Autor: Thomas Wirth